Der Essenheimer Kunstverein präsentiert vom 24. Januar bis 16. Februar die Ausstellung „Wiederholungen“ von Anna Vonnemann im Kunstforum Essenheim.
Anna Vonnemann, Absolventin der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg unter Franz Erhard Walther, wohnt und arbeitet seit 2001 als freischaffende Malerin in Berlin. Nach ihrem Studium lebte sie zunächst in New York, bevor sie 1990 in Wien die Kammermusik – Vereinigung gründete, welche sie bis zum Jahre 2000 leitete. Ihr Repertoire reicht von figurativen Darstellungen bis hin zu Stillleben. Vonnemanns Bilder vereinen durch technische Raffinesse und Objektwahl die Schönheit mit der Kunst als Ort der Abgeschlossenheit und unberührter Natur. Die großformatigen Ölgemälde mit sich wiederholenden Blumenmotiven beschreibt Gernot Thiele als ein „Beieinander von handwerklichem Können und intellektueller Reflexion, die dem Kunstwerk einen Funktionswert zuerkennt, der uns heute – historisch legitimiert – abhandengekommen ist“.
Am 24. Januar um 20.00 findet die Vernissage in Anwesenheit der Künstlerin statt.
Die Vorsitzende Eva Appel führt durch den Abend.
Der Eintritt ist frei, Spenden für den Kunstverein sind willkommen.
Der Essenheimer Kunstverein dankt dem Weingut Wagenknecht für die Weinspende am Abend der Vernissage.
-Vernissage zur Ausstellung „Wiederholungen“ von Anna Vonnemann –
Die Künstlerin im Gespräch mit dem Kunstverein
Mit Anna Vonnemann haben wir eine schillernde Persönlichkeit nach Essenheim gelockt. Eine Frau mit vielen Facetten, mit vielen Brüchen, das würde zumindest ein Biograph so umschreiben.
Man könnte es statt Brüchen auch Besonderheiten nennen, oder vermeintlich etwas, was nicht zusammenpasst. Aber was passt schon zusammen?
Von 1976 – 81 studierte sie freie Kunst an der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg unter Franz Erhard Walter. Die Ausstellung für die Abgangsklasse fand in der Hamburger Kunsthalle statt.
Anan Vonnemann sagt über sich selbst in dieser Zeit: „Ich wollte berühmt werden!“ und dafür musste man auch schon in dieser Zeit provozieren. Sie kritzelte Wände voll, so beschreib sie es mir gestern bei unserem Gespräch. Sie fand es spannend zu experimentieren. Doch auch ein anderer Gedanke ließ sie nicht mehr los: sie fand sich selbst langweilig, bzw. zu unsinnlich und sie stellt fest, so passt das alles nicht zu mir.
Sie geht nach New York, sie malt weiter. Aber sie wird auch gleichzeitig Agentin für klassische Musik. Sie vermarket das Stradivari Sextett, ein Sextett, welche auf Weltniveau spielt. Auch malt sie in dieser Zeit – z.B. nur Morde nach Zeitungsfotos. Sie experimentiert mit Pigmenttechniken und mit Farbübergängen - dann kommen die Rosen ins Spiel.
Anna Vonnemann denkt „die Rose“ als ein Klischee und außerdem erwartet man von Frauen, dass sie Rosen malen. Also wenn es schon Rosen sein sollen, dann wenigstens groß, sehr groß, gigantisch groß. Und nicht nur sehr groß, sondern auch gleich vierfach, sechsfach, achtfach. Ihre Maltechnik zeigt wie nuanciert die Farbübergänge sind, wie transparent die Blätter, wie lichtdurchflutet die Gesamtanmutung. Die erste Rose malt sie immer von einem pflanzlichen Modell ab, danach schafft sie Abbilder und malt von dem ersten Original ab. Wenn Sie später durch die Ausstellung gehen, können Sie beim genauen Hinsehen, die Unterschiede sehen. Diese Unterschiede geben den Bildern eine Tiefe, eine fließende Lebendigkeit und Leuchtkraft.
Frage an Frau Vonnemann: „Wieviel Wiederholungen braucht es, damit daraus ein Muster wird? Wann entscheidet das menschliche Auge, es als Muster zu erkennen?“
Frau Vonnemann: „Also grundsätzlich nehme ich für jedes Bild einen neuen Anlauf und beginne erneut beim Ursprung. Ich male das erste Bild und fotografiere dieses ab.
Damit es keine Veränderung vom Objekt gibt, male ich die folgenden Bilder nach dieser ausgedruckten Kopie – somit drücke ich immer wieder auf Anfang und „vergesse“, dass ich das Motiv zuvor bereits gemalt habe. Aber trotzdem verändert sich etwas – man lernt das Objekt besser kennen, aber es gibt auch den Punkt, an dem man sich von dem Objekt entfernt. Auch wenn ich immer versuche, exakt das Gleiche nochmal zu malen, gelingt es mir nie – und gerade dieser Spalt, dieser Widerspruch ist interessant. Irgendwann, wenn man das Objekt zum zehnten Mal gemalt hat, hängt es einem auch zum Hals heraus.
Und es braucht nur zwei Wiederholungen damit ein Muster erkennbar wird. Man sieht es eigentlich sofort, wenn man genau hinsieht. Es ist aber so: zwei Bilder sind mir zu symmetrisch, drei finde ich ebenso langweilig, bei vier Motiven erkenne ich das Kreuz in der Mitte und das empfinde ich als gruselig. Bei sechs fängt es an zu wirken, je nach Format. Neun Bilder sind eigentlich ideal, aber einige Formate brauchen auch zwölf Wiederholungen“.
1990 geht sie nach Wien, gründet dort die Kammermusik Vereinigung Wien, die sie später auch leitet. 1998 studiert sie dort Marketingmanagement. 2000 geht sie nach Berlin. Ihre Tochter leidet seit der Geburt an einer halbseitigen Lähmung, sie kann nicht mehr als 200 Meter gehen. Anna Vonnemann setzt sich in ihre Küche und beginnt zu tüfteln, sie lötet und schraubt unermüdlich. Sie entwickelt ein Gerät zur Haltungskorrektur, das dem Körper elektrische Impulse gibt, damit er sich an Körperbewegungen erinnert und diese nachmachen kann. Das Gerät hilft ihrer Tochter - Anna Vonnemann treibt die Entwicklung über Jahre weiter, jetzt hat sie ein Startup in Berlin gegründet, das Gerät, es heißt ReMoD (Remember Motion Device), geht inzwischen in die Serienproduktion.
Kommen wir zu den kleineren Bildern der Ausstellung. Portraits, Pferdeköpfe, kleine Stillleben. Das sind klassische Motive, die Portraits erinnern an Jan Vermeer, die Pferde an Franz Marc, Edgar Degas, die Stillleben an Rubens. Die vier Obst Stillleben, welche sie auf der vierten Ebene betrachten können, stellen eine besondere Form der Wiederholung dar. Nur das linke, obere Bild ist von der Künstlerin selbst gemalt, die drei anderen Stillleben sind auf ihre Bitte hin von Kunstprofessoren nach ihrer Vorlage gemalt worden. Der Titel der Ausstellung heißt „Wiederholungen“. Das sind ja auch eine Art der Wiederholung, sich an alten Stilrichtungen und Künstlern zu orientieren.
Frage an Frau Vonnemann: „Ist die Wiederholung ein Zitat? Was ist der Unterschied zwischen einer Wiederholung und einer Kopie?“
Antwort von Frau Vonnemann: „Eine Wiederholung ist kein Zitat. Aber ich zitiere trotzdem. Ich wähle beispielsweise sehr bewusst Blumen und Motive aus, die an alte Stillleben von Blumen erinnern. Ich will diese Verbindung bewusst schaffen – meine Bilder sind dabei ja aber nicht wirklich ein Abbild der Wirklichkeit. Ich versuche tatsächlich meinen persönlichen Strichts zu eliminieren. Das kann ich nur, wenn ich möglichst nah an das Original herangehe. Aber es ist nicht wirklich Wirklichkeit – es ist nur ein Bild, aber dieses Bild hat eine Wirklichkeit für sich. Das was ich abbilde, das Geschehen, ist ein Zitat“.
Das dritte Motiv, welches Sie uns mitgebracht hat, sind die „Kreuzabnahmen“, wie sie sie selber nennt. Das sind Bilder ohne Anfang, ohne Ende. Sie könnten unendlich fortgesetzt werden, das einzelne Bild verliert an Individualität und wäre theoretisch austauschbar. Das heißt aber im Umkehrschuss, erst in der Gesamtschau lässt sich das Bild erfassen. Serielle Bilder sind der Geschichte der Kunst eine eigene Gattung. Denken Sie an Andy Warhol, an seine Marylins oder auch an Claude Monets Bilder der „Seerosen“. Das ist das eine.
Das andere ist, dass Anna Vonnemann diese Motive mit etwas Konservativem verknüpft. Schauen Sie selbst, diese Ornamenttapetenmuster im Hintergrund der „Kreuzabnahme“ wirken konservativ, wie aus unserer Zeit gefallen. Dagegen gesetzt sind die schlaffen, weichen hängende Körper.
Frage an Frau Vonnemann: „Was ist das Original, was ist die Kopie, welche Auswirkungen hat das Spannungsverhältnis zwischen Tapete und den fließend wirkenden Körpern?“
Antwort Frau Vonnemann: „Bei den Kreuzabnahmen wollte ich bewusst ein Motiv wählen, bei dem sofort klar ist, dass es sehr wertvoll ist. Die Idee für die Wandtapeten im Hintergrund habe ich aus einem Museum übernommen. Bei den Kreuzabnahmen sieht man, das Wiederholungen ganz unterschiedlich sein können – man kann ganz unterschiedlich auf Wiederholungen schauen. Bei den Kreuzabnahmen zeige ich ebenso das Endlose der Wiederholungen sehr deutlich. Wenn ich nun beispielsweise ein Porträt wiederhole dann porträtiere ich mich ja selbst auch. Das rechte Porträt beispielweise (Porträts Erdgeschoss rechts) ist noch eine Schablone, da lerne ich erstmal die Form kennen. Beim zweiten nähere ich mich der Form an und das dritte kann ich schon wieder nicht leiden – da habe ich mich schon wieder vom Porträt entfernt. Ich habe schon immer eine Art Ideal im Kopf an das ich mich annähern will – wenn ich das fertige Bild dann betrachte, merke ich oft, dass das Bild nicht meiner Idealvorstellung entspricht und male es erneut. Und dann passiert dasselbe wieder – letztendlich komme ich durch jede Art der Wiederholung dem Ideal näher, auch wenn jede Wiederholung eine ganz neue Art der Arbeit bedeutet.
Das Interview führte Eva Appel mit der Künstlerin Anna Vonnemann am Abend der Vernissage am 24.01.2020